Blick ins Buch

1. Eine ungewohnte Aufbruchstimmung

Das Eingangsportal des Bahnhofs bot Platz für größere Zusammenkünfte.
Über eine elegante Treppe gelangte man bis in die oberen Stockwerke. Die geschickte Gestaltung durch Geh- und Sitzstufen schuf eine attraktive Räumlichkeit, die dank einer Glaskuppel mit Licht durchflutet wurde.
So entfachte die Raumgestaltung ein sinnliches Spiel der Elemente, das in einer mondänen Großzügigkeit, die Schwingen in eine geistige Entfesselung reckte.
In der Mitte des Foyers war ein Auge in den Marmor eingraviert.
Dort auf dem blanken Boden saß ein Mann im Lotussitz. Die Hände lagen, mit den Handflächen nach oben, auf den Knien, während der Daumen den Zeigefinger berührte, spreizten sich die anderen. In der Regel verschlangen ihn begehrliche Blicke geradezu. Diesen Lehrer in seiner ebenmäßigen Schönheit anzusehen war wie ein Wirkstoff, der tiefe Falten in den Sehnsüchten auffüllte.
Er trug eine hellbraune Bundfaltenhose, über der ein beigefarbenes Hemd die sportliche Figur betonte. Im dünnen Stoff schimmerten die Blüten einer Butterblume als Webmuster. Simons Präsenz barg eine sehnig sensible Strenge. Ein markantes Nasenbein und sinnliche Lippen prägten das männliche Gesicht. Man hatte das Gefühl eine rebellische Sanftheit zu erspüren.
Die mittelblonden Haare hatte der Meister zu einem straff zurückgekämmten Zopf gebunden.

Simon sprach: „Die Konzentration liegt auf dem Astralleib, der über eine Leiter in die Tiefe klettert.
Jede Stufe ist eine gigantische Dimension.
Das Beschreiten der ersten Sprosse bringt entspanntes Atmen. Der zweite Tritt nach unten bewirkt die Einkehr in eine Ruhephase.
Beim Gleiten in die dritte Zone konzentrieren wir uns darauf, sensitive Mikrosensoren zu öffnen. Mit dem vierten Schritt strömen eingelagerte Giftstoffe in eine angedockte Hülle.
Bewahre Ruhe, es braucht Zeit!
Nach der fünften Reinigungsstufe löst sie sich ab und weht ins Universum. Du empfindest eine befreiende Wirkung.
Genieße dieses Gefühl.
Daraufhin purzelt der gereinigte Leib drei Rollen rückwärts. Nun wird ein Schutzengel als göttlicher Wegbegleiter im geistigen Auge wahrgenommen.
Du verneigst dich anerkennend, und dankst ihm für sein unsichtbares Wirken.
Er zieht den feinstofflichen Geist, durch den Kopf, behutsam aus dem Körper. Eine silberne Nabelschnur stellt eine untrennbare Verbindung her. Es folgt ein gemeinsamer Flug in das Labyrinth der Erinnerungen.
Dort drosselt er die Geschwindigkeit, um Einkehr in eine zurückliegende Überforderung zu halten, die uns heute noch belastet. Das Licht im Bannkreis des Geistwesens erzeugt eine kosmische Dynamik.
Diese virtuelle Welt ruft die Erinnerung an die Umstände vergangener Zeiten wach. Emotionen spiegeln den Tumult zurückliegender Verhältnisse. Das Geschehen noch einmal distanziert zu verfolgen, wirkt im Inneren nach.
Sobald dein Geist eine Entspannung der Situation signalisiert, gehst du erneut zurück und durchlebst die Szene ein weiteres Mal, ohne den Engel.
Wiederhole die Umkehr zweimal.
So schwemmt sich eine äußerst wertvolle Erkenntnis frei. Denn die Lösung dieses Konflikts wirkt sich grundsätzlich befreiend aus. Das neu gewonnene Verständnis mündet in eine Allmacht, die gegenwärtige Gedanken in den Alltag von Morgen trägt.
Ein Ruck befördert den Astralleib an den ursprünglichen Platz. Wieder purzeln wir drei Rollen vorwärts, … zur Leiter, gehen die fünfte Stufe, atmen entspannt … 4 … streifen letzte Eindrücke ab … 3 … tauchen nach oben … 2 … bewegen einen Finger … 1 … und erwachen.“

Sobald Simon ins Freie trat, herrschte um ihn herum reges Treiben. Viele Besucher strömten geschäftig umher, andere standen in Gruppen zusammen und diskutierten.
Anna trug eine unter der Hüfte sitzende Jeans, darüber ein dunkelblaues Shirt mit aufgestickten Smileys in verschiedenen Neonfarben.
Der blonde Kurzhaarschnitt war hochgestellt.
Die hinter die Ohren geklemmte Seitenpartie spiegelte den eigenwilligen Stil sowie die dynamische Power der Trägerin. An ihrer Seite lief ein Mann, dessen Blick eigentümlich vergeistigt wirkte. Simon beließ es bei dem Gedanken, aufgrund der äußeren Erscheinung eine Einschätzung zu treffen, da Annas Begleiter bereits aufmerksam zu lächeln begann. Der erste Eindruck wurde von einer schwarzen Leinenhose und einem weißen Hemd beeinflusst, über dem der Herr eine mattschwarze Krawatte trug.
„Das ist Simon, unser Vorsitzender.“
Die Männer gingen aufeinander zu und reichten sich die Hand. Anna lief zielstrebig zurück in den Bahnhof.
„Guten Tag, Andreas Seibert, ich bin der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde hier in Bad Hohenstein.“ Er wirkte höflich, sah an der Fassade des Bahnhofsgebäudes hoch, sagte anerkennend: „Es wird hier weitestgehend detailgetreu rekonstruiert. Ich glaube, dass niemand zu hoffen wagte, dass dieses historische Gebäude mit einer solchen Liebe zum Detail renoviert werden würde.“
„Danke.“
„Auch die modernen Elemente sind wirklich bestechend schön konzipiert. Immer wenn ich vorbeifahre, gibt es einen anderen Fortschritt zu bestaunen.“
„Wir nehmen die positive Resonanz der Bevölkerung gerne zur Kenntnis.“
Andreas: „Als bekannt wurde, dass Sie mit ihrer Gruppe den stillgelegten Bahnhof umbauen, um ein Meditationszentrum zu betreiben, reagierte man in der Gemeinde ausgesprochen überrascht.“
Simon: „Haben Sie meinen Beitrag über die Ziele, die wir in der Meditation verfolgen, in der Tageszeitung gelesen?“
Andreas: „Ja! Es bleibt abzuwarten, welches Konzept es denn nun ist, das Ihre idealisierten Vorstellungen umsetzt.“
Er wies mit der Hand zum unweit vom Bahnhof errichteten olivfarbenen Zelt. Dort kampierten viele Bahnhofskinder auf Feldbetten. Auch hier sah er nur fröhliche Gesichter, Leute, die in lockerer Freizeitkleidung mit anpackten. Andreas hatte das Gefühl, dass er hundert Helfer wahrnahm.
„Die Atmosphäre hier vermittelt eine ungewohnte Stimmung.“
Zustimmendes Nicken. Während Simon diese Situation erklärte, liefen beide um das Gebäude herum.
„Auch in den äußeren Bereichen konnten wir Arbeiten von beachtlichem Ausmaß bewältigen. Es ist gelungen, eine eindrucksvolle Nutzungsänderung durchzuführen und ein natürliches Areal in Form eines Parkgeländes förmlich aus dem Boden zu stampfen. Bereits jetzt ist eine sinnbildliche Veränderung sichtbar.“
Der Garten, glich mittlerweile einer Parkanlage und entfachte in Andreas Seibert Begeisterung, deshalb sagte er:
„In meiner Erinnerung existiert er noch, der alte Bahnhof, Gleise, Züge … der Ort wirkt heute, als kehre er in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Das gefällt mir sehr.“
Simon deutete auf einen Bauzaun, der um das Gelände verlief und erklärte:
„Die Maßnahme war unumgänglich. Schaulustige sind wie Heuschrecken in die Baustelle eingedrungen. In welcher Weise man die Mitarbeiter immerzu belästigte, ist kaum in Worte zu fassen. Die Kinder fanden hier natürlich sofort ihren Lieblingsspielplatz. Mit dem Zaun ist endlich Ruhe eingekehrt. Ständig kam eine andere Bürgerinitiative bei uns vorbei.“ Der Pfarrer nickte, brünette Locken umschmeichelten das sensibel wirkende Gesicht. Die geschaffene Idylle beeindruckte ihn, der frisch eingesäte Rasen stand kurz vor dem ersten Mähen. Wo vorher Schienenstränge das Landschaftsbild prägten, entzückte nun ein malerischer Teich. Ein Mann bepflanzte gerade den Uferbereich.
„Dort oben wird eine Gartenlaube errichtet. Wir planen eine horizontal wie auch vertikal verflochtene Kuppel aus verrostetem Metall. Optisch wird das sicher eine Augenweide, denn es werden sich dauerhaft Rosen, Efeu und Wein daran emporranken.“
Als beide auf einer kleinen Anhöhe am Ende des Grundstücks ankamen, verschob Simon ein verzinkt glänzendes Drahtgitterelement, das den Weg nach draußen freigab. Ein Feldweg führte von dort in einen verträumten Mischwald.
Einige Leute pflanzten auf einem Stück Land entlang des Wegs Gemüse. Der Pfarrer sah mehrere Menschen, die in Gruppen beieinander standen und miteinander sprachen, ohne ihren Beobachter zu beachten.
„Nachdem es uns gelungen ist, dieses Ackerland hier zu pachten, leiten uns nicht nur finanzielle Motive, die Selbstversorgung anzustreben. Die Tatsache, dass die gezogenen Bodenproben erstklassig sind, trägt zur allgemeinen Freude bei! Die Entstehung des Meditationszentrums erfüllt mich mit Stolz und Dankbarkeit.“
„Das kann ich verstehen.“
2. Das ist bewusster Schatten

Die Kantine im Keller des Bahnhofgebäudes blieb durch eine kupferne Pendeltür frei für jeden zugänglich. In beide Türflügel war je ein vernietetes Bullauge eingelassen.
Auf der linken Seite des Raumes stand eine sechs Meter lange Theke, hier hatten gespülte Tassen und Trinkgläser einen festen Platz. Daneben gab es je nach Tageszeit heiße oder kalte Speisen.
Kaffee lief auf Knopfdruck aus einer Maschine, während Tee in einer Thermoskanne bereitstand. Hinter dem Tresen führte ein Durchgang in eine Großküche mit Edelstahlfront.
In der Kantine fanden normalerweise weit über hundert Menschen an glänzend lackierten Holztischen Platz. Üppige Pflanzen, die bis an die Decke rankten, bildeten dazwischen, frische grüne Oasen.
Gerade waren nur wenige Tische besetzt. Etwas abseits gelegen saß eine Frau, die nicht auf das Geschehen im Raum achtete. Sie schien vollauf damit beschäftigt, ermittelte Daten an ihrem Laptop in einer Statistik zu erfassen.
Das ließ sich außerhalb der Stoßzeiten problemlos in der Kantine verwirklichen. Im integrierten Office dagegen, das ans Foyer angeschlossen war und für Besucher offenstand, wurde man in seiner Konzentration ständig gestört.
Die Frau war schön.
Lange schwarze Haare fielen ihr seidig glänzend über den Rücken, ein rotes Strickkleid betonte den Körper wie ein makelloses Kunstwerk. Ausgeprägte Augenbrauen, eine griechische Nase und volle Lippen trugen zu ihrer Attraktivität bei.
Hagen trat an den Tisch der Frau heran, tippte behutsam mit den Fingern, bevor er sich setzte. Er war ein dunkler, sehr lässiger Typ, dessen an den Seiten fast zur Glatze rasierten Haare, zum Dreitagebart, einen äußerst gepflegten Eindruck vermittelten.
Zu hellbraunen Jeans wirkte ein apricotfarbenes Shirt, den Hals schmückte ein geflochtenes, dünnes Lederband.
„Endlich habe ich die Möglichkeit, mich ungestört mit dir zu unterhalten. Du hast in der Vollversammlung von deiner Schwangerschaft erzählt?“
Ohne irgendwelche Emotionen erkennen zu lassen, ruhte ihr Blick weiterhin auf dem Bildschirm des Laptops. Er drückte den rechten Zeigefinger in die Handfläche seiner linken Hand und fragte, während er sie beobachtete:
„Bin ich der Vater?“ Sie nickte stumm. „Es liegt mir daran, jeden Anschein der Gleichgültigkeit zu vermeiden. Kaufe ein Haus in der Nähe. Über Geld wird gewiss niemals gestritten.“ Jeanette sah kurz nach hinten, um sich zu vergewissern, dass niemand zuhörte, und flüsterte:
„Am Freitag ist der Termin zur Abtreibung. Oder will der allseits geschätzte Architekt alles aufgeben? Es ist vielmehr so, dass in diesem Fall natürlich klar ist, wer den Erfahrungen in der Gruppe zu entsagen hat.“
Er zuckte mit der Schulter und entgegnete:
„Das ist eine Entscheidung, die es zu überdenken gilt, mein Angebot steht.“
„Warum, was soll das?“
Hagen raunte besonnen: „Ein Schwangerschaftsabbruch wird deine Entwicklung über Jahre negativ beeinflussen.“
„Das weißt du natürlich ganz genau!“
„Denke darüber nach!“
Sie hatte die Ellbogen aufgestützt, sah gelangweilt zur Decke. Obwohl er entspannt im Stuhl saß, klang die tiefe Stimme engagiert.
„Es ist ein Schritt, der eine beschämende Erbärmlichkeit offenbart. Ungeborenes Leben aus einer Laune heraus zu vernichten ist ein Akt, mit dem du künftig sämtliche Kanäle blockieren wirst. Das ist bewusster Schatten!“
„Und schon verteilt der Besserwisser gute Ratschläge! Das ist meine Entscheidung!“, fauchte sie.
Ihm gefielen ihre langen gepflegten Fingernägel.
Hagen: „Es ist eindeutig, auf wen sich deine Faszination der letzten Tage allzu aufmerksam gerichtet hat. Ich kann verstehen, dass du mit Simon zusammen sein willst. Das wird aber niemand als Rechtfertigung akzeptieren!“
„Ts … !“
„Ich erinnere mich an dein unsägliches Gerede darüber, dass die Schwangerschaft keineswegs zufällig zustande kam.“ Er betonte pathetisch: „Nach dem Gesülze willst du einen inneren Ort der Verantwortlichkeit in dir gesehen haben, die jedes Individuum dem anderen gegenüber hat. Nur leere Worte?“
„Ich habe mich umentschieden und werde meinen Fehler korrigieren, ganz einfach!“
„Wie schäbig ist es doch, vor den Leuten diese Phrasen zu dreschen und im gleichen Atemzug einen Termin zur Abtreibung festzulegen. Außerdem steht für mich sofort die Frage im Raum, welcher Arzt bereit wäre, jetzt noch einen Abbruch der Schwangerschaft vorzunehmen?“ Sie wirkte aufgeputscht und verärgert.
Beide verband eine unbändige Hassliebe!
Der Mann rief die extremsten Gefühle in ihr wach. Sobald Hagen zynisch gestikulierte, suggerierten ihr angestachelte Emotionen, ihm die Augen auszukratzen.
Er lehnte sich zurück, und blickte sie geringschätzig an, zischte verhalten:
„Was du verstanden hast, möchte ich wissen. In Wahrheit sind unsere Erkenntnisse in deinem Kleinhirn niemals angekommen!“
„Presse mich nicht so brutal genial in eine Rolle, die mir missfällt!“ Ratlos ging ihr Blick ins Leere, während sie die Einschätzung Hagens hörte.
„Dein Wille wurde von Simon akzeptiert und in den Zirkeln zur Kenntnis genommen. Ist dir bewusst, dass nach einer Abtreibung der augenblickliche Status überprüft wird?“ Jeanette kannte sein sensibles Gespür für die Problematik! Handelte sie unbedacht gegen die Ideologie, entglitt ihr der Rang in der Gruppe.

Die erste Begegnung mit Simon überschattete eine schwere Lebensphase. Sie war noch verheiratet. Ihr Ex lebte eine gewalttätige Mentalität immer brutaler aus.
In einem überfüllten Restaurant trat sie versehentlich auf den Fuß Simons. Einem so unsagbar aufmerksamen Mann war sie zuvor noch niemals begegnet. Die bemerkenswerte Intensität, mit der dieser feinfühlige Rhetoriker die Blutergüsse an ihren Armen thematisierte, begriff sie wie ein Geschenk des Universums. Seine mentale Kraft stärkte ihr den Rücken und versetzte sie in die Lage, einer seelischen Obdachlosigkeit zu entfliehen.
Es kam zu Handgreiflichkeiten ihres Ehemannes, der die Gruppe bedrohte. Erst als er Hagen krankenhausreif schlug, verschwand er im Gefängnis. Deshalb entwickelte sie bewusst eine strategische Nähe zu ihm, damit sie ihre Liebe zu Simon verschleiern konnte. Das war wichtig, denn jeder achtete sehr darauf, auch nur den Anschein des Verliebtseins zu vermeiden.
„Kennt noch jemand deine Pläne?“, fragte er sie.
Kopfschütteln.
Hagen verschränkte die Arme hinter dem Kopf und setzte sich aufrecht hin.
„Im Augenblick fasziniert dich an Simon vielleicht auch nur, weil du Gefühle entwickelst, die dir bewusst machen, dass du zur Faszination fähig bist.“
„Du weißt, wie er über Beziehungen denkt.“
„Warum sollte er verschmähen, was ihm gefällt? Es besteht zwar kein Interesse, eine Liebschaft zu zelebrieren, aber in Anbetracht deiner Umstände leiten ihn sicherlich sehr bald egoistische Motive. Nach diesem Bad im Licht reden wir vernünftig miteinander.“
3. Einstieg in die Weltanschauung Simons

Jeder agiert gerne nach einer inneren Ordnung.
Gutbürgerliche Normen suggerieren das Glück in der Zweierbeziehung und stellen entwickelte Einheitsmodelle der Lebensgestaltung als rationale Richtmarke dar. Grundsätzlich wird die Begegnung mit der Liebe, immer zum Kreuzpunkt.
So nennen wir jede Lebenssituation, die von uns eine tiefgreifende Entscheidung abverlangt.
Das hormonell bedingte Verliebtsein setzt wirkungsreiche Mechanismen in Gang, ohne den Sinn zu hinterfragen. Ein jungfräulich träumender Mensch sieht darum eine vermeintlich seelische Wahrheit in einem festgezurrten Regelwerk, identisch repräsentiert. Deshalb blendet er zwangsläufig den sich bildenden Boden unliebsamer Tatsachen aus.
Was bewirkt ein solches Verhalten, auf längere Sicht gesehen? Wem nützt dieser sinnlose Gewaltakt an sich selbst?
Wenn jemand jedoch seine Leidenschaften nicht auslebt, verlieren sie sich im Raster vorgezeichneter Strukturen.
Das sollte klar sein!
Diese Einstellung zum Leben, wird allzu oft zur Quelle zwischenmenschlicher Querelen. Ein solcher Pakt wirkt bald wie ein überzüchteter Hund, der ständig kränkelt.

Von Anbeginn der Menschheit gab es im Kampf um das Überleben fundamentale Bedingungen, die der Stärkere formulierte. Der Wehrlose sah in der Unterwerfung den Garanten für seine wirtschaftliche Sicherheit.
Schein, Sein, Wille, Macht, Ohnmacht!
Auflodernde Denkvorgänge begreifen neue Prioritäten. Das entfacht den Eindruck, dass die eheliche Verschmelzung, die nach außen wie eine partnerschaftliche Speerspitze wirkt, vollzogen scheint.

Faszination und Begierde erzeugen aber auch die Bereitschaft, ungewöhnliche Lebensbedingungen zu akzeptieren. Die ersten Berührungen mit dem Partner, durch die ein Mensch eine emotionale Flutung geistiger Regionen wie einen himmlischen Traum wahrnimmt, übertragen selbsttätig eine schillernde Vision in ein überaus erstarrtes System.
Hierbei verflüchtigen sich schöpferische Blüten bereits mit der Geburt betörender Offenbarungen. Im Nu erfriert, was geboren wurde.
So wird aus der verheißungsvollen Reise zum Mond das profane Anbellen eines Himmelskörpers. Die Gesellschaft ist ein überlagerter Kreuzpunkt halbfertiger Entscheidungen, der in Wahrheit niemals funktionieren kann.
Sie verelendet täglich in den Fesseln der Verlogenheit.
Obwohl die herrschende Depression warnen sollte, wird die Schuld nicht der maroden Struktur zugeschrieben.
Der Einzelne findet oftmals in einem Geflecht puritanischer Verklemmtheit eine fragwürdige Immunität, die einen Stammplatz im vermeintlich soliden Ehehafen verbindlich garantiert.
Eine gemeinsame finanzielle Grundlage schweißt zusammen und bildet schon bald die Patina über einer geordnet scheinenden Bastion gutbürgerlicher Kriterien.
Das schützt!
Keiner will diese Sicherheiten aufgeben. Ein so konstruiertes Sein schafft fatale Verhältnisse. Zum einen geht der ignorierte Kreuzpunkt anspruchslos verloren. Die Menschen nehmen Sehnsüchte wahr, die in Teilbereichen eine scheinbare Befriedigung erfahren. Dann jedoch fließen entfesselte Hoffnungen desillusioniert in ihren ursprünglichen Zustand zurück.
Es wird verzweifelt in den Erwartungen an die Liebe gegraben, ein feuriger Lichtpunkt gesucht, der verwaiste Träume durchströmt. Schon bald turteln Wunschträume um ein goldenes Kalb. Jeder will ein Märchen erleben, das nach Erfüllung strebt.
Das bleibt aber eine gierende Illusion, die im Grunde eher kontraproduktiv auf die Entwicklung einwirkt! Denn es ist die Hoffnung auf ein erfülltes Leben, die zuletzt stirbt!
Darum ist das vorherrschende System ein Konstrukt, das den Libidoverlust herbeiführt. Das seelische Immunsystem wird durch diese fragwürdige Methodik geschwächt.
Was immer einer glaubte, aus dem Gefüge gewinnen zu können, es verhindert nicht, dass die feinstoffliche Zartheit zuversichtlicher Sehnsüchte, wie ein Traum in der Nacht entschwindet. Es erstickt das Pulsieren der Partnerschaft, wie eine Schnittblume verwelkt.
Die vormals schillernde Vision zerbröselt.
Sobald man nur verklemmt an seiner Entwicklung bastelt, wird die Angst zur Blockade. Hingegen der Entschluss, ein idealisiertes Ziel zu verfolgen, aktiviert die erforderliche Kraft.
Der Mensch wirkt in dem Moment, wie eine Pflanze im Frühling. Im Boden ziehen sich die Wurzeln, während sich die schöpferischen Triebkräfte, der Sonne entgegen recken. Lebensbejahend strömt der Saft in die Knospen. Deren Blüten sind es, die nach außen hin erstrahlen, obwohl doch die Kraft allen Lebens aus dem Wurzelstock gezogen wird.
Es geschieht wie ein beherzter Aufbruch entschlossener Goldgräber in unerforschte Minen. Die wollen zeigen, dass von ihnen gefunden wird, wonach so manch einer vergeblich sucht.
Wer die Möglichkeit einer diesbezüglichen Entwicklung ignoriert, muss ein Leben ohne kreative Impulse hinnehmen.
Folgt man aber der Erkenntnis, gehen Veränderungen einher, die das Gefühl auslösen, eine fremde Welt aktiv zu betreten. Denn es wird ein Klima geschaffen, das, wie es scheint, blühende Wunschvorstellungen in die Vollkommenheit treibt.
Ausgesiedelte Empfindungen ringen verloren um die Luft, die ihnen ein repressionsfreies Leben geben könnte.
Denn wer glaubt, mit verkrüppelten Vorstellungen von Moral und Liebe, einem göttlichen Willen zu folgen, verliert die Realität aus dem Blick. Der Sex ist das Wasser der Meere, ein Urtier, das fantasievoll spirituelle Flügel verleiht. Das Unterlassen der Notwendigkeit nimmt dem Kreuzpunkt (Herausforderungen des Lebens), den zielgerichteten Willen, der anstehende Entscheidungen durchzieht.
Vorgegebene Verhaltensmuster zeigen uns, dass außerhalb eines unabhängigen Drehpunktes gelebt wird. Diese Verlogenheit hat tief greifende Folgen, denn sie führt zu einem sich ständig wiederholenden Alltag, der den persönlichen Aufbruch nicht vorsieht.
Die Menschen gehen gerne unter Gleichgesinnte.
Unterschwellig will man, ohne es sich einzugestehen, eine Verpuffung der so konstruierten Lebensinhalte vermeiden. Im Zentrum der Angst wird vergessen, dass Atem Leben ist.
Lebensmut. Nun zitierte er in verträumter Verlorenheit einen Leitsatz des Bahnhofs:
„Man lässt das Dunkel dieser Welt zurück, erkennt aber sogleich, dass nicht jeder für eine solche Expedition bereit ist. Erkenntnisse, die heldenhaften Mut kraftvoll puschen, fassen einen Entschluss.
Es führt in die beeindruckende Landschaft der Polarmeere, in ein Leben am Limit, karg und strapaziös.
Keiner hat je die Abgründe gesehen, die sich in entlegenen Schichten des Selbst verbergen. Ist es gut, furchterregende Tiefen zu konfrontieren, oder notwendig in gigantische Höhen vorzudringen?
Ängste nisten ebenso unbekannt, wie überdimensionierte Weiten unerforscht bleiben. Besteht die Chance, von dort Signale zu empfangen? Ist es möglich, so eine unverfälschte Identität erfahrbar zu machen, die das Rätsel löst und uns sagt, wer wir sind?! Der Wille ist es, der über alle Unwägbarkeiten hinweg trägt.
Warum gehst du den beschwerlichen Weg? Es gehört viel dazu, gebündelte Fähigkeiten revolutionär zu vereinen!
Simons Worte faszinieren. Nach den ersten Gehversuchen wird deutlich, wofür dieser Mann kämpft.“
Lena erhob sich, entgegnete: „Er ist einmalig. Ich habe sofort damit begonnen, seine Vorstellungen ehrlich zu leben, sie umzusetzen.“ Hagen nahm einen Kieselstein, der am Ufer lag, und warf ihn in das Wasser.
„Wenn er nicht so maßlos gut wäre, gäbe es keinen, der uns versteht. Diese Texte sind es, die der Geist für die Zentrierung braucht.“
6. Ein überholtes Muster

Die Hinwendung ins Licht kann niemals ausschließlich im geistigen Bereich liegen.
Darum sollte die orgiastische Begegnung in der Meditation den Status der Gewohnheit verlassen, um eine freiheitliche Basis zu schaffen.
Vertrautes dem Nimbus eines kargen Wertes zu entwinden, es aus einer verklemmten Sicht zu führen, wird zur Aufgabe. Der Mensch ist ein Kraftwerk, die Flutung der aufgestauten Sehnsüchte, das mechanische Sicherheitsventil.
Sie aber als angenehme Wunschvorstellung zu missbrauchen und mit einer sogenannten Befreiung nur verbal zu verknüpfen, führt in die Barbarei. Denn der größte Feind ist die Faulheit, der eine einhergehende Disziplinlosigkeit folgt.
Deshalb liegt es im ureigenen Interesse, die rituellen Prozesse, nach Kräften zu unterstützen. So wird der Keim der Wahrheit schützend bewahrt.
Es lässt sich nichts in der intellektuellen Nachvollziehbarkeit ergründen, denn die bindet in die Begrenztheit des Verstandes, wo immer er auch sein mag.
Das Meditationszentrum im Bahnhof veranstaltete nachmittags inspirierende Kurse. In einer entspannten, äußerst gepflegten Atmosphäre erwachte die Neugierde der Öffentlichkeit wie ein Frühlingstag.
Im Foyer standen viele Cliquen umher. Jan war auf eine lebhafte Diskussion mit einer Frau konzentriert, die er in einem Einkaufszentrum kennengelernt hatte.
In solchen Erlebnissen sah er den Beweis, dass in der Gesellschaft ein lebenswertes Miteinander zu schaffen war.
Es gab sie, die edlen Menschen, die sich berühren ließen! Weiter hinten sang eine Gruppe das Lied des Bahnhofs, das bereits in der Gründerzeit gedichtet wurde.

Aufbruch entflammt,
Zustand der Freiheit schafft in uns Klarheit.
Wir lagen im Bann.

Jan hatte brünettes Haar und kleidete sich meist konservativ. Das Wesen des Mannes erschien strebsam und engagiert.
Die Eleganz der schwarzen Hose, die er trug, harmonierte mit einem dunkelblauen taillierten Hemd. Ihm wurde immer wieder bestätigt, dass es sein gepflegtes Äußeres war, dem er spontane Sympathie und das damit verbundene Vertrauen verdankte.
Die Leute sangen die zweite Strophe des Bahnhofliedes:

Spannung bringt Licht.
Entfacht das Streben, es liegt im Geben.
Wir sind nicht allein!

Er brauchte eigentlich nur die Chance, in ein Gespräch einzusteigen, denn dass er mit reizvollen Argumenten überzeugte, blieb die Regel.
So kam es, dass er den Diskutanten auch durch den Stil seiner Kleidung, die Bodenständigkeit der anvisierten Ziele glaubhaft seriös skizzierte.
Anna sprang die Treppe herunter.
Die hochgestellte Frisur schimmerte seidig, verlieh ihr aber eine dominante Ausstrahlung.
Nun signalisierte sie Jan schmunzelnd, indem ihre Finger lässig erst über den Mund, dann an das Ohr deuteten.
Jan unterbrach sein Gespräch mit der Frau aus dem Einkaufszentrum und ging auf Anna zu.
„Deine Mutter wartet draußen, sie lässt sich nicht vertrösten.“
„Das hier kann dauern.“
„Macht es Sinn, meinen Charme spielen zu lassen?“
Er nickte.

Jans Mutter, die mittelgroße, dunkelblonde Edith verstand es, ihre üppigen Formen perfekt in fließende Stoffe zu packen und ungewöhnlich elegant zu kaschieren.
„Er ist noch in einer Besprechung, möchte aber, dass Sie auf ihn warten. Bei den Temperaturen ist Eistee der Favorit?“
„Ja. Danke.“
Während Anna den Tee in der Kantine holte, beobachtete Edith abschätzend das gesamte Umfeld.
Die Leute, die in der Parkanlage umherliefen, erweckten den Anschein aufgeschlossener Unberührtheit.
In ihrem reifen Gesicht drängten zahlreiche, sympathisch wirkende Sommersprossen. Jans kritischer Augenaufschlag war in ihren grünen Augen wieder zu finden.
Die kostspielige Gestaltung der Gartenanlage überraschte die analytische Geschäftsfrau, und sie registrierte erstaunt, dass die Umgebung sie positiv stimmte. Als die Blondine mit dem Tee zurückkam, liefen beide schon bald nebeneinander her.
„Ich wüsste gerne, welche Gründe euch bewegen, euer Leben so rigoros in die Waagschale zu werfen.“ Kopfschütteln. „Dazu müsste ich nachvollziehen können, was meinen Jungen an dieser Gemeinschaft fasziniert.“
„Ich engagiere mich hier, weil die Begegnungen eine Berührung bringen, die nirgendwo sonst stattfindet. Es ist sehr inspirierend, meditative Lösungen zu fördern und den Menschen zu dienen.“
Edith beobachtete die blonde Frau, die sie ausgesprochen bereitwillig begleitete und bereit schien, sich mit ihr zu unterhalten. Jan hatte sich in letzter Zeit gerade durch haarsträubende Ansichten von seiner Familie distanziert. In Gedanken versunken öffnete sie die Handtasche, tastete nach ihrer Zigarettenschachtel.
„Hier herrscht Rauchverbot.“
Ohne Widerspruch unterbrach sie diesbezügliche Reflexe und fragte: „Sucht jeder, der den Thesen folgt, auch eine Bleibe im Bahnhof?“
„Nein. Die Erfahrung ist nahezu überall auszuarbeiten. Die Arbeit an unserem Ideal ist keinesfalls von einer Örtlichkeit abhängig.
In der Gruppe werden notwendige Schritte entwickelt. Das zu erleben ist jede Mühe wert.“
„Ist es das?“
„Ja, ich betrat eine neue Welt, bekam eine andere Sicht, wie man Probleme löst. Das ist faszinierend.“
„Es ist mir nicht gegeben, Ihre Einschätzung auch nur im Ansatz nachzuempfinden. Es erstaunt mich sehr, dass niemand ein Problem damit hat, sich irgendwelchen Einweisungen zu unterwerfen!“
Anna: „Warum?“
„Was wird aus eurem Leben, wenn das Spiel hier vorbei ist. Keiner von euch stellt diese Frage oder sucht gar eine Antwort. Registriert irgendjemand, dass euer Engagement hier eigentlich ein Verkrümeln auf Nimmerwiedersehen ist? All die Perioden langwieriger Lernprozesse, die nur Zeit und Geld kosten, nützen den Bahnhofbetreibern. Die haben einen Weg gebaut und sind für jeden dankbar, der darauf geht.
Was geschieht, sollte der Traum in einigen Jahren ein jähes Ende nehmen? Diskutiert ihr diese Tatsache?“
„Sie kennen die Antwort?“ Nun ertönte das Bahnhoflied:

Energien fließen!
Sinne erschließen!
Wir werden sein!

Edith sah Jan, konzentriert aus dem Bahnhofsgebäude kommen. Die Begegnung mit der Gesprächspartnerin verflüchtigte sich in netten Oberflächlichkeiten. Während er näherkam, achtete sie auf Kleidung und Ausstrahlung. Die Erkenntnis, dass er sehr glücklich zu sein schien, entkrampfte innere Anspannungen, die ihr zu schaffen machten.
„Stört dich, dass ich unangekündigt hier auftauche?“
„Nein, gab dir jemand das Gefühl?“
„Ehrlich gesagt überrascht mich das imposante Areal, die Sauberkeit und überhaupt, …“
Die Einschätzung seiner Mutter bedeutete ihm viel.
„Anna sagte, dass man keinesfalls zwingend im Bahnhof wohnen muss.“
„Mama“, erklang Jans eindringlich mahnende Stimme, „der Kampf für die Sache ist eine edle Mission.“ Jan reagierte sofort, weil seine Mutter es nicht lassen konnte, ihn diesbezüglich zu kritisieren. Sie startete immer wieder neue Versuche, ihn aufzurütteln.
Während dieser Zeit drang das Bahnhofslied aus dem Zelt:

Aufbruch entflammt,
Zustand der Freiheit, entfacht in uns Klarheit.
Wir lagen im Bann.

„Diese Gruppe schenkt so vielen Menschen eine echte Alternative. Darum wird nichts und niemand, meinen Entschluss beeinflussen können. Die Epoche, in der ihr mich nach Belieben regulieren konntet, ist vorüber! Nimm das bitte zur Kenntnis! Jede Unterhaltung lenkst du immer in diese Diskussion. Respekt ist offenbar ein Fremdwort. Ändere das, wenn dir an mir liegt!“, brach es aus Jan heraus.
„Das sind aber recht harte Worte. Der Auslöser war, ob man denn im Bahnhof wohnen müsse, das verstehe ich nicht! Komm heim, übernimm die Firma, die Zeit ist da! Du verdienst gut und bist unabhängig, was willst du mehr! Wir hätten uns niemals träumen lassen, mit welcher Ungeniertheit die geschaffenen Möglichkeiten von dir verworfen werden. Das bewegt uns gewaltig!“
Jan reagierte engagiert: „Seht selbst zu, was in den Fesseln eurer Zwangsvorstellungen noch zu kreieren ist! Man sollte grundsätzlich darauf achten, die eigene Zukunft nicht aus den Augen zu verlieren. Auch, wenn ich dein Sohn bin, so habe ich dennoch ein Recht auf mein Leben. Es wird dich vielleicht überraschen, aber eure Weltanschauung ist keineswegs das Selbstverständlichste der Welt. Verkauft die Firma, jetzt gibt es einen angemessenen Preis dafür. Es geht hier um mehr, als euch einen Gefallen zu tun. Der geforderte Aktionismus würde mein Leben unmittelbar in eine grundlegend veränderte Richtung lenken.“
„Wäre das so entsetzlich?“
„Ja, mir ist klar, warum ihr den Köder anbietet. Das zu durchschauen ist nun wirklich die leichteste Übung. Wir wollen, dass die Gesellschaft ein höheres Bewusstsein erlangt!
Das kleingeistige Geschacher ist nicht nur unakzeptabel, sondern auch unerträglich!“
Von Neugier erfüllt suchten Roxanas leidenschaftliche Blicke an der Stelle, an der Jan sich unterhielt. Ein seitlich tief angesetzter Scheitel bewirkte, dass die Frisur schräg zur Seite lag. Im Gesicht geglättet und fransig nach außen gestellt fielen die restlichen Haare in einer kinnlangen Lockenpracht. Das anliegende grüne Kleid leuchtete in versetzten, gelb karierten Feldern, die eine perfekte Figur nachbildete.
Anna flüsterte: „Der ewige Kreisel der Nörgelei, das ist so langweilig!“ Der übermüdete Kommentar entlockte ihr ein Schmunzeln, darum ergriff sie lachend ihren Arm. Im Newsletter hatte Simon von der Göttin Ninsianna berichtet. Roxana faszinierte, dass hingebungsvolle, ganz normale Frauen, so werden konnten wie sie. Deshalb fragte sie:
„Hast du dich schon entschlossen?“
„Du sprichst vom Ruf der Ninsianna?“, sie nickte. „Dein Ehrgeiz sollte vorher diesbezügliche Grenzen ausloten! Warum ausgerechnet diese Umschreibung eine Lawine der Neugierde auslöste, ist die Frage?“ Roxanas Plateauschuhe ließen sie an die Größe der Freundin heranreichen.
Roxana: „Erste Sondierungen ergaben, dass sich niemand traut. Das ist komisch, mich begeistert es total, die Idee ist so cool! Ist es chinesisch oder ist es japanisch? Lena hat sogar Angst! Also dazu fehlt mir eine gehörige Portion Fantasie!“ In der ihr eigenen Art orakelte sie fast kindlich mit euphorisch geheimnisumwobenen Erwartungen in vielsagender Mimik.
„Es hämmert unaufhörlich in meinem Schädel. Ich will die Einweisung auf jeden Fall holen. Komm, es ist doch nur ein Versuch!“ Die jedoch wirkte erstarrt, kniff von der Sonne geblendet, die Augen zusammen.
Anna: „Du solltest darüber nachdenken, warum Simon nicht einmal eine verlässliche Basis umschreibt! Das heißt, es ist ratsam, nur überaus besonnen eine Annäherung zu gestatten!“
Roxana: „Ach, das theoretische Geschwätz!“